Wie ist die Idee entstanden, hochwertige Mode in Ruanda zu produzieren?
Obwohl fast jeder fünfte Mensch auf der Welt in Afrika lebt, trägt der Kontinent weniger als fünf Prozent zum Umsatz des globalen Bekleidungsmarktes bei. Die Bekleidungsindustrie in Ruanda, meinem Heimatland, befindet sich im Aufbau. Da Ruanda ein Binnenland ohne beachtliche Ressourcen ist, müssen seine Industrien transformativ sein und die Wertschöpfung für alle importierten Güter maximieren. Mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Bekleidungsindustrie wollte ich schon immer eine globale Modemarke mit Wurzeln in Afrika schaffen – eine Marke, die für Nachhaltigkeit und Qualität steht. Asantii ist zu einer Katalysator-Marke für Mode „made in Africa“ geworden – wir arbeiten mit afrikanischen Designerinnen und Designern, beziehen afrikanische Rohstoffe und fertigen in Ruanda. Ruanda hat gute Chancen, ein wettbewerbsfähiger Standort für die Produktion von hochwertiger Mode zu werden.
Können Sie Einblicke in die Materialien und Designelemente geben, die Sie priorisieren, und wie diese das kulturelle Erbe Afrikas widerspiegeln?
Die Mode von Asantii wird in Afrika inspiriert, entworfen und hergestellt. So weit wie möglich und in zunehmendem Maße verwendet Asantii Materialien, die in Afrika nachhaltig produziert und verarbeitet wurden. Wir beziehen zum Beispiel Textilien aus zertifizierter Bio-Baumwolle aus Marokko oder Viskose aus zertifizierter nachhaltiger Forstwirtschaft in Madagaskar. Asantii setzt auf traditionelle afrikanische Techniken wie Faso Dan Fani, ein in Burkina Faso handwerklich gewebter Stoff. Was unsere Designelemente betrifft, so bildet beispielsweise das Nahtmuster einer unserer Steppjacken das Abode Santann ab, das „alles sehende Auge“, ein Adinkra-Symbol aus Ghana. Auf anderen Kleidungsstücken ist das Akuaba aufgedruckt, ein Adinkra-Symbol, das für weibliche Energie und Fruchtbarkeit steht. Asantii verwendet manchmal Perlenarbeiten, die von Mitgliedern einer südafrikanischen gemeinnützigen Kooperative hergestellt werden, oder Stickereien, die von einer ruandischen Kooperative handgefertigt werden. Alle unsere Kleidungsstücke tragen afrikanische Namen, wie z. B. unser Hemd Urembo („Du bist schön“ auf Swahili), unser Kleid Selma („Frieden“ auf Amharisch) oder unsere Hose Dikamba („Freund“ auf Kimbundu).
Wofür steht die Marke Asantii? Was ist Ihre Vision für das Unternehmen?
Asantii leitet sich vom Swahili-Wort für „Danke“ ab und ist eine subtile Botschaft, um einem Kontinent, der der Welt so viel gegeben hat, durch Mode zu danken. Unsere Markenwerte sind Stolz, Weisheit und Dankbarkeit. Stolz ist der emotionale Teil der Marke, der Stolz auf Afrikas reiches kulturelles Erbe, der Stolz auf unsere Designerinnen und Designer, Kooperationspartnerinnen und -partner und Mitarbeitende, sowie das Gefühl, Asantii zu tragen. Weisheit ist der nachhaltige Teil der Marke, unser Branchenwissen, unsere Handwerkskunst und unsere Einladung zu Slow Fashion made in Africa. Dankbarkeit ist der ethische Teil unserer Marke, der den Geist von Ubuntu, das „Zurückgeben“, unseren Glauben an die gemeinsame Menschlichkeit, die Priorisierung der Bedürfnisse unserer Arbeiterinnen und -arbeiter und ihrer Familien durch die soziale Verantwortung des Unternehmens und die Unterstützung unserer Designerinnen und Designer durch Kapselkollektionen umfasst. Unsere Vision ist es, die Modebranche zu transformieren und in Afrika Mehrwert zu schaffen.
TT CommunicationsWelche Herausforderungen sind Ihnen begegnet, als Sie mit der Herstellung von Premium-Mode in Ruanda begannen?
In erster Linie müssen ruandischen Bekleidungsarbeiterinnen und -arbeiter ihre Fähigkeiten ausbauen. Wussten Sie, dass jede zweite ruandische Schneiderin oder jeder zweite ruandische Schneider keine formale Berufsausbildung erhalten hat, sondern das Handwerk informell von Kolleginnen und Kollegen erlernt hat? Selbst diejenigen, die eine solche Ausbildung absolviert haben, werden schnell feststellen, dass die Lehrpläne oft nicht auf die Bedürfnisse der Branche abgestimmt sind. Das hat zur Folge, dass die technischen und sozialen Fähigkeiten, die für die Herstellung hochwertiger Mode erforderlich sind, in Ruanda kaum vorhanden sind. Es gibt auch andere Herausforderungen. Da wir einen möglichst großen Teil unserer Rohstoffe aus Afrika beziehen, sind Logistik und Lieferketten ein Albtraum. Sie schränken unsere Möglichkeiten sogar ein: Strickwaren und andere technische Materialien beispielsweise werden in Afrika noch nicht in Premiumqualität hergestellt. Knöpfe, Reißverschlüsse, Etiketten – sie alle müssen importiert werden. Eine weitere oft übersehene Herausforderung, ist der Mangel an Erfahrung. Wenn ein Hersteller in Italien neuen Mitarbeitenden Premium-Mode zeigt, sind diese wahrscheinlich bereits mit der Qualität des Produkts vertraut. In Ruanda gib es diese Maßstäbe nicht. Die meisten Ruanderinnen und Ruander sind noch nicht mit Premium-Mode in Berührung gekommen, weder in der Herstellung noch als Verbraucherinnen und Verbraucher.
Die Erfolge unserer Reise sind jedoch so viel größer als die Herausforderungen. Zu sehen, wie Menschen ihre Fähigkeiten verbessern, wie sie gut gelaunt sind – von der Produktionslinie bis zum Modehaus und dem Managementteam – intelligente Persönlichkeiten zu sehen, die bisher einfach nicht die richtigen Chancen hatten, und zu sehen, wohin wir uns in kurzer entwickelt haben, Komplimente für unser Handwerk zu erhalten – all dies gibt einem eine Vorstellung, was noch erreicht werden kann.
Sie haben unter anderem den Mangel an geeigneten Fähigkeiten erwähnt. Was braucht es, um Premium-Mode zu produzieren?
Die Herstellung von Premium-Mode erfordert ein breites Spektrum an technischen und sozialen Fähigkeiten. In der Regel werden die Fähigkeiten von Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie regelmäßig bewertet und auf einer Skala von E bis A++ eingestuft. Um erfolgreich in der Bekleidungsherstellung arbeiten zu können, sollten Mitarbeitende mindestens die Stufe A erreichen. Bei C, der höchsten Stufe, die man üblicherweise in Ruanda findet, sind die Mitarbeitenden beispielsweise in der Lage, beschädigte Nadeln auszuwechseln oder die Fadenspannung einzustellen. Bei A++ können sie sich Tagesziele setzen und ganze Kleidungsstücke nähen. Die Ränge hängen jedoch nicht nur von den Fähigkeiten ab, sondern auch davon, wie viele Maschinen und Arbeitsvorgänge die Mitarbeitenden beherrschen. Darüber hinaus hängen sie auch von der Effizienz ab, davon, wie schnell die Mitarbeitenden bestimmte Arbeitsvorgänge ausführen und wie niedrig die Fehlerquote ist. Entscheidend ist auch, dass Mitarbeitende nur dann aufsteigen können, wenn sie bestimmte Soft Skills beherrschen, die nach und nach an Komplexität gewinnen. Kenntnisse über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie das Erwerben von Problemlösungskompetenzen sind wichtige Faktoren für den Aufstieg in den Rängen.
Wie hat Invest for Jobs Ihrem Unternehmen bei der Bewältigung der von Ihnen beschriebenen Herausforderungen geholfen?
Unsere Entwicklungspartnerschaft mit Invest for Jobs begann im März 2023 und läuft bis Februar 2026. Sie hat es uns ermöglicht, ein praxisorientiertes Ausbildungsprogramm für die Herstellung von Mode aufzubauen – das erste seiner Art in Ruanda. Wir haben internationale Branchenexpertinnen und -experten unter Vertrag genommen, z. B. Schnittmuster-, Näh- und Produktionstechnikerinnen und -techniker. Denn leider ist deren Fachwissen noch nicht in Ruanda zu finden. Insgesamt bilden wir mindestens 360 Personen aus, davon 70 Prozent Frauen, und bieten mindestens 300 von ihnen nach ihrem Abschluss einen guten Arbeitsplatz in unserem Unternehmen. Für das Programm können sich Personen mit und ohne Erfahrung in der Bekleidungsherstellung sowie immatrikulierte Studierende bewerben. Als Träger des Programms hoffen wir natürlich, einige der besten Absolventinnen und Absolventen selbst einstellen zu können, aber allen Auszubildenden steht es frei, ihre berufliche Laufbahn anderswo fortzusetzen.
Ohne die Partnerschaft mit Invest for Jobs hätten wir das Ausbildungsprogramm nicht ins Leben rufen können. Asantii wurde erst im Jahr 2022 gegründet. Wir hätten weniger Fachleute unter Vertrag nehmen und eine deutlich geringere Anzahl an Auszubildenden aufnehmen können – und nur diejenigen mit den höchsten Qualifikationen. Wir sind davon überzeugt, dass das umfassende Schulungsprogramm die ruandischen Arbeitskräfte in der Bekleidungsindustrie erheblich fördern und Ruanda dabei helfen wird, mit anderen globalen Standorten der Premium-Modeproduktion wettbewerbsfähig zu werden. Die Partnerschaft bildet eine erste Generation hochqualifizierter ruandischer Führungskräfte und Ausbildende in der Bekleidungsindustrie aus. Wir ebnen den Weg für die afrikanische, bewusste Art der Modeproduktion nach unserer Vision.
Pink Mango Asantii Ltd wird von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Rahmen der Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt.