Safran ist seit 22 Jahren in Marokko präsent. Wo sehen Sie die Vorteile und die Herausforderungen des Landes im Ausbildungsbereich?
Marokkos Schulen bieten hervorragende Ausbildungsprogramme an, die den Absolventinnen und Absolventen bedarfsorientiert die am Markt geforderten Kompetenzen vermitteln. Einige Profile sind in Marokko viel leichter zu finden als in anderen Ländern. In Frankreich zum Beispiel hat Safran oft Schwierigkeiten, Ingenieurinnen für Führungspositionen zu gewinnen.
Eine unserer Herausforderungen in Marokko besteht jedoch darin, diese Kompetenzen zu halten. Viele Fachkräfte mit bestimmten Profilen – insbesondere aus dem IT-Bereich oder anderen technischen Berufen – werden nämlich ins Ausland abgeworben, z. B. nach Kanada, Frankreich oder in die Golfstaaten.
Safran hat 2024 ein eigenes Ausbildungszentrum in Marokko eingerichtet. Mit welchem Ziel?
In Marokko unterstützt der Staat junge Menschen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt mit sogenannten ANAPEC-Verträgen, benannt nach der Nationalen Agentur zur Förderung von Beschäftigung und Kompetenzen (Agence Nationale pour la Promotion de l‘Emploi et des Compétences). Während einer Vertragslaufzeit von bis zu 24 Monaten erhalten die Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger den Status einer Praktikantin bzw. eines Praktikanten. Die Unternehmen sind von den Sozialabgaben befreit, wodurch der Staat auch die Arbeitgeber unterstützt. Um einen solchen Vertrag zu erhalten, benötigt man allerdings zumindest ein Abitur oder einen gleichwertigen staatlich anerkannten Abschluss. Es gibt jedoch viele Jugendliche in Marokko, die die Schule vor dem Abschluss abbrechen müssen, oft aus finanziellen Gründen.
Um ihnen eine zweite Chance zu geben, haben wir mit Unterstützung von Invest for Jobs und dem marokkanischen Ministerium für wirtschaftliche Eingliederung, Kleinunternehmen, Beschäftigung und Kompetenzen (Ministère de l‘Inclusion Economique, de la Petite Entreprise, de l‘Emploi et des Compétences, MIEPEEC) unser eigenes Ausbildungszentrum (Centre de Formation par Apprentissage, CFA) gegründet. Es ist das erste Zentrum dieser Art in der marokkanischen Luftfahrtbranche. Es bietet jungen Menschen die Gelegenheit, nicht nur einen Beruf zu erlernen, sondern auch einen staatlich anerkannten Abschluss zu erwerben. Die Ausbildung dauert ein Jahr und vermittelt Fachkenntnisse für unterschiedliche Berufe, beinhaltet aber auch Module zu Verhaltenskompetenzen (soft skills) und Französischunterricht. Der Abschluss einer Ausbildung bei SEPM eröffnet bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz, entweder bei Safran oder in anderen Unternehmen. Mit dem Abschlusszeugnis haben die Absolventinnen und Absolventen außerdem Anspruch auf einen ANAPEC-Vertrag, was ihre Beschäftigungsfähigkeit verbessert.
Da wir ständig auf der Suche nach gut ausgebildeten Fachkräften sind, bietet uns das Ausbildungszentrum eine gute Möglichkeit, neues Personal zu rekrutieren und sicherzustellen, dass es unserem Anforderungsprofil entspricht. Mit dem neuen Zentrum wurde die Ausbildungsdauer verlängert und die Ausbildungsqualität verbessert. Die Auszubildenden sind zufriedener und eher bereit, sich nach dem Abschluss einem unserer Teams anzuschließen.
Welche Rolle hat Invest for Jobs beim Aufbau des Ausbildungszentrums gespielt?
Invest for Jobs hat uns finanziell dabei unterstützt, Lehrkräfte für Französisch und soft skills einstellen zu können. Der Unterricht findet in unseren Räumen auf dem Unternehmensgelände statt. Der Französischunterricht ist besonders wichtig, um die sprachlichen Fähigkeiten der Auszubildenden – Verstehen, Lesen und Schreiben – zu verbessern, denn Französisch ist unsere Arbeitssprache. In den Soft-Skills-Kursen werden ihnen die notwendigen Werkzeuge an die Hand gegeben, um mit erfahrenem Fachpersonal wirkungsvoll zu kommunizieren und ihre zwischenmenschlichen Fähigkeiten im beruflichen Umfeld zu stärken.
Außerdem erhalten wir von Invest for Jobs technische Unterstützung durch einen Berater, der uns mit seiner Expertise bei der Durchführung eines Energieaudits unterstützt. Ziel ist es, unsere Energieeffizienz zu verbessern und so unseren CO2-Fußabdruck im Zusammenhang mit den Bauarbeiten zur Erweiterung unserer Produktionsanlage zu verringern. Wir sind mit dieser Zusammenarbeit sehr zufrieden und möchten sie gern weiterführen.
Was konnten Sie durch die Einrichtung dieses Zentrums erreichen?
Das Ausbildungszentrum verschafft uns die Möglichkeit, ein Kontingent an neuen Mitarbeitenden in unseren Fachbereichen auszubilden. Wir bauen derzeit eine neue Produktionsstätte und müssen daher vermehrt einstellen. Bislang konnten wir 183 Personen ausbilden und 80 Prozent der Absolventen des ersten Jahrgangs als Bedienerinnen und Bediener in unser Werk übernehmen. Bis Mai 2026 wollen wir 400 weitere Personen einstellen, davon 80 Prozent Frauen.
Welche Empfehlungen haben Sie für Unternehmen, die in Marokko investieren wollen?
Wer in Marokko ein Unternehmen gründen möchte, braucht zunächst einmal eine gute Beratung in Personalthemen. Es ist wichtig, das Bildungssystem, die Schulen und die lokale Kultur zu kennen, um geeignetes Personal zu gewinnen. In der Industrie können diejenigen Unternehmen, die ihre Ausbildungsmethoden an die Gegebenheiten angepasst haben, ihre Talente am ehesten halten. Denn Bildung hat für die jungen Menschen in Marokko einen hohen Stellenwert, ihnen geht es bei der Berufswahl nicht allein um das Geld.
Das Projekt mit Safran Electrical & Power Morocco wird von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Rahmen der Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchgeführt.